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ELSE (OHNE FRÄULEIN)

ELSE (OHNE FRÄulein)

by Thomas Arzt, based on the novella by Arthur Schnitzler

Directed by Birgit Schreyer Duarte

Vorarlberger Landestheater, Bregenz/Austria

Premiere Sept 19, 2021, extended!

WINNER

STELLA*22 AWARD

OUTSTANDING PRODUCTION FOR YOUNG AUDIENCES IN AUSTRIA

CAST + CREATIVE TEAM

Performed by Maria Lisa Huber & Silvia Salzmann Set & Costumes Bartholomäus Martin Kleppek mit Marina Deronja Choreography Silvia Salzmann Dramaturgy Ralph Blase Lighting Simon Prantner Assistant Director Michael Wilhelmer Design Assistants Leslie Bourgeois & Lilli Löbl Photography Anja Köhler

DIRECTOR’S NOTE

Das Stück lässt uns zunächst einmal miterleben, was es heißt, als Mensch zwischen Kind- und Erwachsenenalter seinen Platz in der Welt zu suchen: die eigenen Bedürfnisse zu definieren und einzuordnen, und sich bewusst von anderen Gleichaltrigen und Erwachsenen im Umfeld abzugrenzen. In Zeiten, in denen das #MeToo Movement das Thema der sexuellen Ausbeutung in den Mittelpunkt vieler Diskussionen und auch künstlerischer Aufarbeitungen gestellt hat, macht Thomas Arzts Text außerdem auf faszinierende und erschreckende Weise deutlich, wie wenig sich in den Jahren seit der Erscheinung von Schnitzlers Novelle, der Grundlage des Stücks, für (junge) Frauen wirklich geändert hat. Zwar ist Else im 21. Jahrhundert bestens technisch vernetzt, medienerfahren, und sich um die möglichen Konsequenzen ihrer Wirkung als attraktives Mädchen auf die Außenwelt weitgehend bewusst. Doch auch heute lassen es familiäre und gesellschaftliche Strukturen zu, dass eine 15-Jährige ganz plötzlich in ein sexuelles Abhängigkeitsverhältnis rutscht zu einem viel älteren Mann, der eine Position innehat, in der er absolute Macht über ihr Leben ausüben kann. Noch immer dominieren die Rollenklischees, die Frauen entweder in verletzliche Unterdrückte oder gefährliche Verführerinnen einteilt, die letztlich selbst die Schuld an ihrer Ausbeutung tragen. Zu oft wird weibliche Autorität noch immer als wenig feminin oder als suspekt empfunden — und zwar von Männern wie von Frauen. Wie sich trotzdem das Kräfteverhältnis zwischen den beteiligten Figuren immer wieder neu verschiebt, wie sich das Mädchen trotz ihrer Fähigkeit zur (Selbst-)Analyse und Reflektion vor unseren Augen immer weiter in die Situation verstrickt und wir dabei mitfiebern können, wer letztlich die Oberhand behalten wird, wird in Else (ohne Fräulein) spannend und eindringlich erzählt. Dabei wird Else nie als Opfer dargestellt, sondern bleibt bis zum Schluss authentisch, humorvoll, trotzig und charmant.

Das Stück spielt mit einer Vielzahl an Gegensätzen — Kindsein und Erwachsensein, Sehen und Gesehenwerden, subjektives Empfinden und objektive Verortung, Wunsch und Realität, männlicher und weiblicher Blick, Innen- und Außenwelten, Opfer und Täter, Körperlichkeit und Vernunft, Agierende und Reagierende, etc. Da war es für mich sofort inspirierend, mir vorzustellen, wie eine Tänzerin eine Gegenposition zur Schauspielerin einbringen kann, eine Vorgabe, die mir Intendantin Stephanie Gräve zu dieser Inszenierung anbot. D.h., wir können also immer auch eine gleichzeitige zweite „Version“ von dem, was im Text erzählt wird, zeigen; diese Versionen können sich ergänzen oder widersprechen. Es können einzelne Erlebnisse oder Befindlichkeiten der Else von Choreographie begleitet, oder auch ganz von der Tänzerin dargestellt werden. Sie kann auch als eine Art „Beobachterin“ oder „Zeugin“ erscheinen, und somit als eine Figur, die die Rolle des Publikums thematisiert. Sie bietet in jedem Fall eine Art ständige Reflektionsfläche, was ja ein wichtiges Grundprinzip des Stücks ist: In der Adoleszenz werden die Veränderungen an der eigenen Person und die eigene Wirkung auf die Außenwelt oft als extrem empfunden. Auch Else handelt nie im Vakuum — alles, was sie tut oder unterlässt, löst kleinere und größere Ereignisse in ihrem Umfeld aus. Das Zusammenspiel von Schauspielerin und Tänzerin bietet also wunderbare Möglichkeiten, die Komplexität und Widersprüchlichkeit der Adoleszenz im Allgemeinen, und der Figur der Else, wiederzugeben.